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Ein Kontinent, viele Amerikas

Warum die USA nicht Amerika sind und welche Region man eigentlich als Lateinamerika bezeichnet.


Dass es fünf Kontinente gibt, habe ich in der Grundschule gelernt – dafür musste ich nicht Geographie studieren. Eselsbrücke: Vier mit A, einen mit E. Achja, genau! Aaasien..ähm..Afrika..Amerika..Australien und Europaaa! Sehr gut. Was lernen wir daraus? Amerika ist also ein Kontinent. Kein Land, kein Staat und erst recht kein Verbund von Staaten. Dass die USA so häufig als „Amerika“ bezeichnet werden, ist schlicht und ergreifend falsch.

Der amerikanische Kontinent

Amerika ist ein Doppelkontinent, der aus Nord- und Südamerika besteht. Verbunden werden die beiden Subkontinente über die Landbrücke Zentralamerikas, die geographisch zum Nordkontinent zählt. Zu Nordamerika gehören also Grönland, Kanada, die USA, Mexiko, die zentralamerikanischen Länder und die Westindischen Inseln (Karibik). Südamerika umfasst alle Länder des südlichen Subkontinents, von Kolumbien bis Chile und Argentinien. Auch wenn Zentralamerika aus geographischer Sicht dem Nordkontinent angehört, stellt es, gemeinsam mit den karibischen Inseln, eine eigene politisch-kulturelle Region dar, die als Mittelamerika bezeichnet wird. Das klingt erstmal logisch. Die Amerikas sind nach ihrer geographischen Lage benannt: Nordamerika im Norden, Südamerika im Süden und Mittelamerika zwischen den beiden, in der Mitte.

Und was ist dann Lateinamerika?

Anders als die Bezeichnungen Nord-, Mittel- und Südamerika, hat der Begriff Lateinamerika keinen geographischen Ursprung, sondern einen sprachlich-historischen und geht über die Himmelsrichtungen hinaus, beziehungsweise umfasst Teile von allen drei Amerikas. Der Name kam Ende des 19. Jahrhunderts auf und gründet auf der von Frankreich ausgehenden Idee der „Einheit der lateinischen Völker“ (Panlatinismus). Die Bezeichnung Lateinamerika verweist also auf gemeinsame Wurzeln mit dem lateinischen Europa und diente dazu, die französisch-, spanisch- und portugiesischsprachigen Länder Amerikas von den englischsprachigen Ländern Amerikas (Angloamerika) abzugrenzen. Heute werden aus westeuropäischer Sicht vor allem die Länder zu Lateinamerika gezählt, in denen überwiegend Spanisch und Portugiesisch gesprochen wird. Trotzdem gibt es keine einheitliche Definition von dem Lateinamerika – vielmehr herrschen unterschiedliche Verständnisse vor, die je nach Herkunft und Perspektive des Betrachters/der Betrachterin voneinander abweichen.

INFO
Der Name „Amerika“ geht auf Amerigo Vespucci zurück, ein italienischer Kaufmann und Seefahrer, der weite Teile Südamerikas bereiste. Der Begriff tauchte zum ersten Mal auf Martin Waldseemüllers berühmter Weltkarte von 1507 und der dazugehörigen Cosmographiae Introductio auf. Anfangs bezog sich „Amerika“ auf den Bereich der Karibik, Zentralamerika und Teile Südamerikas und stand für die Erkenntnis um den Kontinentalcharakter der Länder. Mit der fortschreitenden Besiedlung des Nordens durch Engländer*innen und andere Europäer*innen weitete sich der Begriff auf den gesamten Doppelkontinent aus.

Kritische Betrachtung

Ähnlich wie der Begriff Orient, ist die Bezeichnung Lateinamerika ein Konstrukt, das von den ehemaligen Kolonialmächten geprägt wurde und einen starken eurozentrischen Charakter hat. Auch die Bezeichnung Iberoamerika, die teilweise als Synonym für Lateinamerika verwendet wird, ist kritisch zu sehen, weil sie die Region auf die Kolonialzeit reduziert. Beide Begrifflichkeiten werden deshalb von einigen Kritiker*innen völlig abgelehnt. Ähnliches gilt für die Namensgebung Amerikas im Allgemeinen: Dass ein gesamter Kontinent nach einem europäischen Mann benannt wurde, sollte auf jeden Fall kritisch hinterfragt werden – besonders vor dem Hintergrund der grausamen Kolonialgeschichte.

7 Gedanken zu „Ein Kontinent, viele Amerikas“

  1. Schöner und verständlicher Artikel, der mir als Geographie-Leihe den Kontinent Amerika sehr gut erklärt hat! Ich freue mich auf mehr!

  2. Knackig, informativ und aufschlussreich – I love it! Vielleicht könntest du uns noch erklären, oder erläutern, was für eine Bezeichnung der Region sich Menschen aus der Region selbst wünschen würden? Also statt „Lateinamerika“ – damit wir uns das nicht falsch merken?

    1. Das freut mich sehr zu hören! 🙂 Und ja, gute Idee! Danke für den Denkanstoß – ich werde mir mal Gedanken darüber machen, wie sich das gut umsetzen lässt.

  3. Danke für den leicht lesbaren und trotzdem sehr informativen Beitrag! Mehr kritische Geographie für alle! selbst im Geo-Studium fehlte eine differenziertere Auseinandersetzung mit „Lateinamerika“ leider total.

    1. Danke für dein Feedback und ja, das hast du recht – das Geostudium könnte in einigen Bereichen auf jeden Fall noch kritischer sein!

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